Chris*tina Street Day – QueerFeministisch, Solidarisch, Antirassistisch
Samstag, 28.07.12 – 16.00h – Stuttgart, Böblinger Straße
Startnummer 14, Sammlung ab 14 Uhr an der U-Haltestelle Erwin-Schöttle-Platz
Ein Blick zurück: Stonewall was a riot
Seit es 28.06.1969 in der Szene-Bar „Stonewall Inn“ in New York zum ersten bekannt gewordenen Aufstand „sexueller Minderheiten“ gegen Polizeiwillkür und Diskrimierung kam, ist der „Christopher Street Day“ ein Fest-, Gedenk- und Protesttag von LGBT’s (lesbian gay bisexuel transgender) in aller Welt.
Als sich bei den Stonewall-Revolten die Wut über Polizeigewalt, Kriminalisierung und Rassismus entlud, bildete sich der Bezugspunkt für die folgenden Jahrzehnte der lgbt*-Bewegung (lesbian, bi, gay, transgender). Die Forderungen nach (bürgerlichen) Rechten und Gleichberechtigung, die Auseinandersetzungen innerhalb der community um Rassismus und Ausgrenzung, die Act Up-Bewegung (AIDS Coalition to Unleash Power) und die damit einhergehende Politisierung der homophob besetzten Thematisierung von „Aids“ finden alle ihre Tradition in den Tagen des Aufstands in der Christopher Street.
In den Kämpfen der lgbt-Bewegungen sehen wir, wie gesellschaftliche Widersprüche sichtbar und angreifbar werden und sich radikale Gesellschaftskritik audrücken kann! Daran wollen wir anknüpfen, frech und widerständige queerFeministische Praxen gestalten, in denen für uns stets auch die Vision einer anderen Gesellschaft skizziert wird!
Ein Blick ins Jetzt:
Homophobe und trans*phobe Gewalt sind nicht von der Bildfläche verschwunden, „schwul“ gilt weiterhin vielerorts als Schimpfwort, Transsexualität wird immer noch als psychische Krankheit klassifiziert, es finden weiterhin chirurgische „Genitalkorrekturen“ bei intergeschlechtlich geborenen Kindern statt und die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ wartet im Übrigen noch immer auf die rechtliche Gleichstellung mit der heterosexuellen Ehe.
Gleichzeitig wird Homosexualität in 67 Länder straftrechtlich verfolgt und in 7 Ländern mit der Todestrafe belegt(0), die „pride marches“ in Osteuropa werden verboten oder von Nazis und christlichen Fundamentalisten angegriffen (1), in Teilen Russlands wurde „Homo-Propaganda“ und die öffentliche Aufklärung über Homo-, Bi- und Transsexualität gesetztlich verboten (2) und die queer-feministische Punkband „Pussy Riot“ sitzt wegen ihrer politischen Aktionen gegen das Putin-Regime in Untersuchungshaft…(3)
Wir solidarisieren uns mit den von Repression betroffenen Aktivist*innen, stellen uns hinter die Forderungen von inter-Organisationen (u.a. nach der „sofortigen Beendigung der kosmetischen Genitaloperationen“)(4) und unterstützen die Forderung nach einer „Streichung der Geschlechtsidentitätsstörungen aus den internationalen Diagnostik-Handbüchern“ (5).
Ein „Ja, aber“ zum CSD
In unserer Beteiligung am Stuttgarter CSD soll unserer positiver Bezug auf die Proteste und Aktionen von trans*-inter*-queer-lesbisch-schwulen Zusammenhängen zum Ausdruck kommen. Für einen Tag werden Lebens- und Liebensweisen jenseits der als Norm gesetzten Heterosexualität sichtbar, die Veranstaltungen der Programmwoche thematisieren die unterschiedlichen Forderungen der lgbt-Bewegungen und alltägliche wie auch institutionelle Diskrimierung, Ausgrenzung und Gewalt werden von einem vielfältigen Bündnis, mehr oder weniger, zurück gewiesen.
An der Kommerzialisierung des „Großevents CSD“, der Begrenzung auf bürgerliche Forderungen nach Gleichberechtigung, der Erstrangigkeit von priviligierten (weißen, männlichen, nicht-illegalisierten) Positionen und der daraus resultierenden Unsichtbarkeit von people of colour und trans*-Identitäten sowie an der Normalisierung von Schönheits- und Körpervorstellungen können wir jedoch markieren, wie der emanzipatorische Gehalt des CSD verloren geht.
Nicht der Wille zur Anpassung in die Mehrheitsgesellschaft und die Bejahung (kapitalistischer) Verhältnisse, sondern der Angriff auf ihr Zentrum liegt uns am Herzen und ist Ausgang unserer Überlegungen und Aktionen!
Vom Mythos der „Gleichbeschäftigung“ und einem Blick dahinter..
Das diesjährige Motto des CSD Stuttgart heißt „Gleichbeschäftigt“.
Der Forderung nach diskriminierungsfreien Arbeitsplätzen und -räumen stimmen wir zu, den Glauben an das Konzept von diversity und prinzipiell gerecht gestalteten Arbeitsverhältnissen weisen wir zurück.
Thematisch bleiben prekarisierte Arbeitsverhältnisse und Ausbeutung von Lohnabhängigen unangetastet. Es wird davon ausgegangen, dass alle Adressat_innen des CSD Möglichkeit und Interesse zu und an einem Arbeitsverhältnis haben. Ausgeklammert bleiben die Benachteiligungen von trans*-Personen im Arbeitsleben, die fehlenden Zugänge für illegalisierte Migrant_innen, die Einschränkungen für HIV-Positive und die Benachteiligung von Frauen und unbezahlter care-Arbeit.
Wir sehen, wie anhand von Geschlecht Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse durchgesetzt werden und diese sich mit Rassismus verschränken. Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität, also die Vorstellungen von nur 2 gültigen, in einem hierarchisch zueinander stehenden Verhältnis mit der Setzung von Heterosexualität als Norm, sind für uns auch Grundlage für kapitalistische Produktionsweise und Verwertung.
Nicht der Mythos von einer angeblich möglichen „Gleichbeschäftigung“, sondern soziale Ungleichheiten und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, gehören, neben Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierungen und der Geschlechtsidentität, in den Mittelpunkt gerückt.
Ein Blick nach vorne..
Wir haben uns für die Beteiligung am CSD in Stuttgart entschieden, um bewusst queer-feministische, emanzipatorische, kritische Inhalte auf dem CSD zu transportieren.
An eine zweigeschlechtliche Welt können wir nicht glauben, an Mainstream und Kommerz sind wir nicht interessiert, (Homo)Nationalismus können uns gestohlen bleiben und auf Krieg, Repression und Rassismus haben wir keinen Bock.
Lust haben wir auf viele Geschlechter und Identitäten, die sich jede*r selbst gestalten kann und auf Selbstbestimmung und Freiräume, in denen wir unsere Vorstellungen einer anderen, gerechteren Gesellschaft Wirklichkeit werden lassen.
Das wir auf diesem Wege den Kapitalismus überwinden und Homophobie und Trans*phobie in der Mehrheitsgesellschaft und innerhalb der „Szene“ entgegen treten müssen, ist für uns selbstverständlich!
Deshalb:
Que(e)rfeld ein auf den CSD nach Stuttgart!
Beteiligt euch kreativ und subversiv an unserer Fußgruppe!
0 Wikipedia oder ilga europa
1 http://www.queer.de/detail.php?article_id=16529
http://www.queer.de/detail.php?article_id=16600
2 http://www.queer.de/detail.php?article_id=16709
3 http://freepussyriot.org/de/about-de
4 http://zwischengeschlecht.org/post/6.-Die-Forderungen-der-Zwitterbewegung
5 http://transx.at/Pub/Depathologisierung.php#A2
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Frauengruppe Zumutung
CSD Stuttgart 2012